Oumou Sangaré | Das Interview zum neuen Album „Acoustic“!
2017 erschien Oumou Sangarés letztes Album Mogoya. Auf dem in Stockholm und Paris eingespielten Album beschritt die Frau, die früher auf den Straßen Bamakos Wasser verkaufte, einen schmalen Grat zwischen der traditionellen Musik ihrer Heimatregion Wassoulou in Mali und einer technologiebedingten Entwurzelung. So fand sich Oumou Sangaré plötzlich in eine neue Popkulturdimension katapultiert. Der kongolesische Künstler JP Mika malte sie für das Albumcover, Remixe von Sampha, St Germain, Malik Djoudi und anderen folgten für das Album Mogoya Remixed und Beyoncé sampelte sie für den Song „MOOD 4 EVA“. Nie schien Oumou Sangaré weiter von ihrem Heimatland entfernt zu sein.
Am 19. Juni ist ihr neues Album Acoustic digital erschienen. CD und Vinyl kommen erst am 28. August. Obwohl sie wegen des Coronavirus in New York festsitzt, hat sie akzeptiert, unsere Fragen zu beantworten.
Vielen Dank, dass Sie sich für uns Zeit nehmen konnten. Wie geht es Ihnen? Wie erleben Sie den Lockdown?
Es geht mir sehr gut! Ich bin in New York. Ich bin mit einem Teil meiner Familie für die Ferien dorthin geflogen, und wir sind wegen der COVID-19-Pandemie geblieben. Es hat mir die Chance gegeben, mich nach einer langen Tournee, der Organisation meines „FIWA“-Festivals in Mali und der Leitung meiner Geschäfte außerhalb der Musik endlich etwas auszuruhen. Mir wurde auch klar, dass ich meine Familie vermisst habe. Nach 30 Jahren Weltreise mache ich eine echte Pause. Ich habe mit meinen Enkelkindern gespielt, ich habe gekocht und habe mehr Zeit mit meinen Verwandten verbracht.
Am 19. Juni ist Ihr neues Album Acoustic erschienen, das, wie der Name schon verrät, eine akustische Version (mit zwei Ausnahmen) von Mogoya ist. Es wurde in einem Take aufgenommen, ohne Verstärkung, ohne Kopfhörer, unter „Live“-Bedingungen. War dies eine Herausforderung? Haben Sie vor, diese Erfahrung zu wiederholen?
Ja, es ist mein erstes rein akustisches Album, aber es war nicht schwer zu realisieren. Wir haben das Album in zwei Tagen aufgenommen, mit Musikern, die ich sehr gut kenne (meine Backgroundsängerinnen Emma Lamadji und Kandy Guira, Benogo an der Kamele Ngoni, Guimba Kouyaté an der Gitarre, Vincent Taurelle vom A.L.B.E.R.T-Kollektiv an Celesta und Spielzeugorgel). Es herrschte eine sehr intime Atmosphäre, die es erlaubt hat, „loszulassen“ und eine spontane Musik zu spielen. Eine Art Kammermusik unter Freunden. Dieser akustische Ansatz hat mich an meine Kindheit erinnert, wenn ich auf der Straße sang oder wenn ich meine Mutter bei Hochzeits- oder Tauffeierlichkeiten begleitete. Meine Stimme ist hier ohne Artefakte. Diese „unplugged“-Erfahrung werde ich bei meinen nächsten Konzerten noch einmal erleben.
Sie haben die erste Single von Acoustic vorgestellt: „Djoukourou“. Können Sie uns etwas mehr über diesen Song erzählen? Warum haben Sie ihn für die Promotion dieses neuen Albums ausgewählt?
Djoukourou bedeutet „Unterstützung“, „Schutz“. Es gibt nichts Besseres, als jemanden zu haben, dem man vertrauen kann, jemanden, auf den man sich stützen kann. Ein Staatsoberhaupt ist nichts ohne die Unterstützung seines Volkes, ein Sänger ist nichts ohne gute Musiker. Ich sage humorvoll, dass wir jemanden haben müssen, der über „unseren Hintern“ wacht. „Djoukourou“ ist ein Lied, das mein Publikum liebt, es singt und tanzt mit uns im Konzert. Mit diesem Song zurückzukehren, ist meine Art und Weise, meinen Zuhörern Balsam für die Seele zu geben und diejenigen zu trösten, die in dieser schwierigen Zeit Schmerzen haben und kämpfen.
Warum haben Sie beschlossen, „Diaraby Nene“ und „Saa Magni“ akustisch neu zu bearbeiten, zwei Lieder, die Sie seit vielen Jahren begleiten und die nicht auf dem Album Mogoya zu finden sind?
Diese Entscheidung haben wir gemeinsam mit meinem Label Nø Førmat getroffen. Wir dachten, es sei gut, diesen beiden schönen und wichtigen Liedern aus meinem Repertoire ein neues Leben zu geben. Sie haben mich in meiner Karriere immer begleitet. Sie sind in gewisser Weise zu „Klassikern“ geworden, die von allen Generationen bekannt wurden. Die akustische Form macht es möglich, sie zu sublimieren. Es gibt mehr Platz, um den Klang der Instrumente und die Melodien von Wassoulou hervorzuheben.
Seit fast 30 Jahren nehmen Sie an vielen Festivals teil und Sie haben das Internationale Festival von Wassoulou (FIWA) gegründet, dessen dritte Ausgabe vom 5. bis 7. März dieses Jahres stattgefunden hat. Vermissen Sie die Bühne? Was halten Sie von der Wiederaufnahme der Konzerte nach dieser unruhigen Zeit?
Diese dritte Ausgabe der FIWA war ein Erfolg, ich bin sehr stolz auf dieses Projekt, das ich in meiner Heimatregion über meine Kultur organisiere.
Ich liebe es, auf einer Bühne zu sein. So kann ich meine Kultur, meine Traditionen und meine Musik teilen. Wie so viele Künstler musste ich meine Tour verschieben. Ich habe aber Geduld und beschwere mich nicht. Die Gesundheit aller ist das Wichtigste. Ich kann es aber kaum erwarten, den Rest meiner Familie wieder in Mali zu sehen.
Zu der Gesundheitskrise ist in den letzten Wochen eine tiefe soziale Krise hinzugekommen, die die ganze Welt erschüttert. Sie sind für Ihr Engagement bekannt, was denken Sie von der heutigen Jugend?
Ich habe volles Vertrauen in die jungen Menschen. Sie sind es, die unsere Mentalitäten aufrütteln. Als ich mein Album Moussolou veröffentlicht habe, war es die malische Jugend, die mich zuerst unterstützt hat. Die konservative Gesellschaft mochte meine Texte überhaupt nicht und beschimpfte mich. Ich sprach über Dinge, die zu tabu waren. Mit der Zeit wurden meine Lieder schließlich akzeptiert. Jeden Tag versuche ich, diesen jungen und freien Geist zu halten.
Zum Abschluss noch eine Frage: Was bedeutet Deutschland für Sie? Welche Erinnerungen haben Sie an das deutsche Publikum?
Ich mag Deutschland sehr gerne, ich habe dort Familie. Als ich sehr jung war, habe ich begonnen, in diesem Land aufzutreten. Ich habe ein loyales und warmherziges Publikum getroffen, das mich nach all den Jahren immer noch unterstützt. Ich freue mich schon darauf, in Deutschland wieder auf Tour zu gehen.
Vielen Dank Oumou Sangaré für dieses Gespräch!